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„Alleingänge der deutschen Seehäfen werden in die Sackgasse führen“
Veröffentlicht am 16.02.2016

Eine Kooperation der deutschen Containerseehäfen hat eine größere Wirkung als Flussvertiefungen, sagt Professor Frank Ordemann, Leiter des Instituts für Logistikmanagement (ILM) an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Er lehrt die Fächer Verkehrsbetriebswirtschaftslehre und Logistik sowie in Schwerpunkten Kooperationsmanagement. Im Interview auf www.mehrcontainerfuerdeutschland.de erfahren Sie, warum es für Professor Ordemann keine Alternative zu einer Kooperation der Häfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven gibt – und wie eine Zusammenarbeit der Hafengesellschaften konkret aussehen könnte.

Herr Professor Ordemann, im Auftrag des WWF Deutschland haben Sie bereits 2013 ein Szenario für eine Seehafenkooperation der Häfen Hamburg und Bremerhaven mit dem JadeWeserPort im Bereich der Containerverkehre entworfen. Was hat sich in der Zwischenzeit getan?
Für mich persönlich ist dieses Thema seitdem ein weiterer Schwerpunkt im Rahmen meiner Lehre rund um mein Vertiefungsangebot im Bereich Kooperationsmanagement geworden, zu dem ich zusammen mit unseren Bachelorstudierenden höherer Semester und unseren Masterstudierenden forschungsähnliche Projektarbeiten im eigenen Auftrag durchführe. In diesem Rahmen ist auch meine jüngste Veröffentlichung unter Mithilfe meiner Studierenden entstanden. Darin werden die Vorteile einer Kooperation der deutschen Containerseehäfen geschildert, die eine größere Wirkung als Flussvertiefungen von Elbe und Weser haben würde.

Mittlerweile plädieren neben Umweltverbänden auch immer mehr Vertreter aus Wirtschaft und Politik für eine Kooperation der norddeutschen Containerseehäfen. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Häfen tatsächlich miteinander kooperieren werden – und was wären die Folgen, wenn sie es nicht tun?
Meine Vermutung ist, dass die von Ihnen genannten Verantwortlichen einfach die endgültige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Hoffnung abwarten werden, dass die Flüsse vertieft werden dürfen. Wenn die Gerichtsentscheidung so getroffen werden sollte, dann wird es meines Erachtens auf längere Sicht keine Intension in Richtung einer Hafenkooperation geben. Dann werden die Verantwortlichen glauben, dass sie im Wettbewerb gegeneinander und mit den Westhäfen bessere Entwicklungsmöglichkeiten hätten. Das wird auch solange gut gehen, bis die bereits heute existierenden großen Containerschiffe eine Auslastung erreichen, die es ihnen nicht mehr erlaubt, Bremerhaven oder Hamburg als ersten Anlaufhafen zu wählen. Hamburg und Bremerhaven wurden in den Jahren 2012/2013 und werden auch derzeit zumindest bei einigen Diensten noch als erster Hafen in der Nordrange angelaufen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Reihenfolge, in der ein Schiff einzelne Häfen anläuft, und der Containermenge, die es transportiert?
In meiner für den WWF erstellten Studie hatte ich für das Jahr 2012 – und in einer späteren Auswertung für das Jahr 2013 – mit Bezug zum Hamburger Hafen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Anlaufreihenfolge der Schiffe und der Gesamt-Umschlagmenge festgestellt. Danach ist diese Menge umso größer, je früher der Hafen angelaufen wird. Wenn der Hamburger Hafen und Bremerhaven nicht mehr für den Erstanlauf dieser Schiffe in Frage kommen, dann wird es so sein, dass alle Dienste zunächst einen Westhafen anlaufen müssen – insbesondere Rotterdam –, um ihre Schiffe zu „leichtern“, damit sie anschließend nach Hamburg oder Bremerhaven weiterfahren können.

Welche Auswirkungen hätte das konkret?
Die Folge für zumindest einen Teil der Container, die für deutsche Empfangs- oder Versandadressen bestimmt sind, werden höhere Kosten sein, weil dann auch Container in den Westhäfen umgeschlagen werden müssen, die vergleichsweise über längere Strecken im Hinterland transportiert werden und damit tendenziell auch höhere Kosten nach sich ziehen werden. Einmal ganz abgesehen von der höheren Umweltbelastung, die dies nach sich ziehen würde. Mit einer starken Hafenkooperation, unterstellt, dass sie den Reedern attraktive Angebote machen könnte, würde die Chance bestehen, dass Doppelanläufe des JadeWeserPorts in Kombination mit Hamburg oder Bremerhaven weiterhin beziehungsweise vermehrt als Erstanläufe vor einem Westhafen in Frage kämen. Wenn die deutschen Häfen auf diese Weise mehr Erstanläufe bekämen, dann wäre insgesamt ein Mehrumschlag zu erwarten, von dem alle drei Häfen profitieren würden. In diesem Sinne trifft Ihre Internetplattform „Mehr Container für Deutschland“ hinsichtlich der Zielsetzung einer Hafenkooperation den Nagel genau auf den Kopf.

Bleiben wir beim Stichwort „Mehr Container für Deutschland“: Was sagen Sie zu der These, dass sich Ladung ihren Weg immer selbst sucht und eine Bündelung von Ladungsströmen auf politischer/behördlicher Ebene daher nicht möglich wäre?
Damit stimme ich absolut überein! Eine Hafenkooperation kann auch nicht auf politischer oder behördlicher Ebene erzwungen werden. Von diesen Institutionen kann sie (und muss sie dann auch) „nur“ unterstützt werden. Vor allem die Verantwortlichen in den Hafenumschlagsgesellschaften müssen zu der Einsicht gelangen, dass eine solche Hafenkooperation perspektivisch größere Entwicklungsmöglichkeiten für den eigenen Hafen bietet als weiterhin auf Alleingänge zu setzen. Dass sich die Ladung immer selbst ihren Weg sucht, sehe ich auch so. Aber wie macht sie das denn? Zu allererst doch auf der Basis der geringsten Kosten entlang der gesamten Transportkette.

Erläutern Sie das doch bitte einmal genauer.
Unterstellt, dass die Seefrachtraten in der Hamburg-Antwerpen-Range gleich sind, entstehen für die Ladung Kostenunterschiede zum Teil durch unterschiedliche „ladungsbezogene Hafengebühren“, die sogenannten Terminal Handling Charges (kurz THC), die seit eh und je zugunsten der Westhäfen ausfallen. Die dort entstehenden Differenzen zu Lasten der deutschen Seehäfen können aber (über)kompensiert werden, wenn die Hinterlandtransportkosten gegenüber der Situation in den Westhäfen günstiger sind. In meinem jüngsten Aufsatz habe ich herausgearbeitet, dass eine Kooperation der deutschen Seehäfen insbesondere im Hinblick auf die Bahn-Hinterlandverkehre einen Beitrag zur Verbesserung von deren Wettbewerbssituation leisten könnte. Hier sind die Seehäfen auch nicht – wie des Öfteren dargestellt wird – Abhängige oder Unbeteiligte, sondern sie können Einfluss nehmen auf die Wegsuche der Ladung. Genau das machen die deutschen Seehäfen bereits nach Kräften, aber eben im Alleingang, beziehungsweise genauer gesagt, im Wettbewerb gegeneinander. Angesichts eines gemeinsamen Umschlagvolumens von rund 15 Millionen Standardcontainern (TEU) sollte Kooperationspotenzial in diesem Bereich vorhanden sein.

Hat der Hamburger Hafen ohne Elbvertiefung keine Zukunft mehr? „Die immer wieder zu hörende Behauptung, dass die Schiffe zukünftig an Hamburg vorbeifahren werden, wenn die Elbe nicht vertieft werden sollte, ist vollkommener Unsinn“, sagt Professor Ordemann. Foto: © Verena Münch / pixelio.de

Hat der Hamburger Hafen ohne Elbvertiefung keine Zukunft mehr? „Die immer wieder zu hörende Behauptung, dass die Schiffe zukünftig an Hamburg vorbeifahren werden, wenn die Elbe nicht vertieft werden sollte, ist vollkommener Unsinn“, sagt Professor Ordemann. Foto: © Verena Münch / pixelio.de

Reicht es nicht aus, Elbe und Weser zu vertiefen – sofern das Bundesverwaltungsgericht dem zustimmt?
Das wird nicht ausreichen, um dem Hamburger Hafen und Bremerhaven eine langfristige Perspektive im Wettbewerb um die in Deutschland jeweils alleinige Abfertigung von 18.000-TEU und größerer Schiffe zu geben. Die in Rede stehenden Flussvertiefungen wären eher ein Tropfen auf dem heißen Stein, der ihnen lediglich einen zeitlichen Puffer verschaffen wird, bevor das passieren wird, was ich Ihnen zu Ihrer zweiten Frage gesagt hatte. Vor dem Hintergrund, dass 18.000 TEU-Schiffe (und zum Teil auch schon kleinere) regelmäßig konstruktive Tiefgänge von 16 Metern aufweisen und demgegenüber nach den gewünschten Flussvertiefungen maximale Tiefgänge von 13,5 Metern (tideunabhängig) beziehungsweise 14,5 Metern (tideabhängig mit zeitlichen Hindernissen) zur Verfügung stehen würden, muss doch jedem klar sein, dass die Vertiefung keine langfristige Perspektive haben kann. Teilweise wird deshalb so argumentiert, dass es ausreichen würde, „real erforderliche Tiefgänge“ ermöglichen zu können.

Und was entgegnen Sie dem?
Bei einem solchen Status-quo-Denken muss festgestellt werden, dass es dazu gar keiner Flussvertiefungen bedarf. Das habe ich für das Jahr 2012 bezogen auf die Elbe auf der Basis der Daten der Hamburg Port Authority (HPA) im Rahmen meiner im Auftrag des WWF erstellten Studie nachgewiesen. Gleiches stellte sich im Rahmen unserer Arbeiten an der Hochschule für das Jahr 2013 auf der Basis der HPA-Daten heraus. Von einer anderen zuverlässigen Datenquelle weiß ich, dass im Jahr 2015 die Tiefgangreserven (also die Differenz zwischen den derzeit möglichen und den tatsächlichen Tiefgängen der Schiffe) gegenüber dem Jahr 2014 noch größer gewesen sein werden, so dass aus einem Status-quo-Denken heraus, jedenfalls auf der Elbe, keine Flussvertiefungen erforderlich sind und erst recht nicht mit Blick in die Zukunft, falls diese Schiffe stark ausgelastet werden sollten. Vollkommener Unsinn ist auch die immer wieder zu hörende Behauptung, dass die Schiffe zukünftig an Hamburg vorbeifahren werden, wenn die Elbe nicht vertieft werden sollte.

Was macht Sie so sicher, dass das vollkommener Unsinn ist?
In meiner für den WWF erstellten Studie habe ich am Beispiel eines 18.000 TEU-Schiffs nachgewiesen, dass es für die Reeder gerade mit Blick auf deren großen Schiffe nicht wirtschaftlich wäre, Hamburg zum Beispiel nur noch mit Feederschiffen zu bedienen, anstatt den Hafen direkt anzulaufen. Dementsprechend ist auch in der Praxis das Gegenteil der Fall: Aus der oben genannten Quelle weiß ich, dass bis Ende 2015 mehr Megacarrier (ab 13.000 TEU) den Hamburger Hafen angelaufen haben werden als im Jahr 2014 – und das, obwohl der Umschlag geringer sein wird. Perspektivisch gesehen kann es aber nicht mit einem „Business as usual“ weitergehen, wozu auch die Flussvertiefungen gehören. Sie würden keine langfristige Lösung bieten, sondern nur das notwendige Umdenken in Richtung einer Hafenkooperation verzögern.

Gibt es aufseiten der Politik/Hafenwirtschaft einen Plan B, wenn das Gericht den Flussvertiefungen nicht zustimmt?
Einen Plan B gibt es seitens der Politik/Hafenwirtschaft meines Wissens nicht, und das finde ich geradezu unverantwortlich angesichts der Bedeutung, die unsere Seehäfen für unsere Volkswirtschaft haben. Salopp gesagt liefen die bisherigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts doch so: 2012: Flussvertiefungen werden abgelehnt. 2014: abgelehnt, Verweis an den Europäischen Gerichtshof mit der Frage, „ob dem Naturschutz eine hohe Bedeutung beigemessen werden muss“. Deren Antwort 2015: Ein klares „Ja“! Ich frage mich, was diese Verantwortlichen so sicher macht, dass den Flussvertiefungen jetzt endgültig zugestimmt werden wird?

Die Maren Maersk läuft in Bremerhaven ein. Maßnahmen wie die geplante Weservertiefung werden laut Professor Ordemann nicht ausreichen, um einzelnen deutschen Seehäfen langfristige Perspektiven im Wettbewerb um die jeweils alleinige Abfertigung größerer Schiffe zu geben. Foto: © bremenports / BLG

Die Maren Maersk läuft in Bremerhaven ein. Maßnahmen wie die geplante Weservertiefung werden laut Professor Ordemann nicht ausreichen, um einzelnen deutschen Seehäfen langfristige Perspektiven im Wettbewerb um die jeweils alleinige Abfertigung größerer Schiffe zu geben. Foto: © bremenports / BLG

Also läuft es darauf hinaus, dass ein Plan B benötigt wird, den es aber offenbar (noch) gar nicht gibt …
Ein sinnvoller Plan B (und mittelfristig der Plan A) kann nur die Hafenkooperation sein. Die muss man ja nicht gleich beschließen, aber man sollte sie doch zumindest einmal als Option in Erwägung ziehen, Analysen dazu durchführen und Gespräche darüber führen – und das sollte jetzt geschehen! Ich erinnere daran, dass im Jahr 2006 renommierte Forschungsinstitute zu dem Ergebnis gekommen sind, dass das Containerschiffswachstum an natürliche Grenzen stoßen wird, die in der Größenordnung von 10.000 TEU-Schiffen gesehen wurden, und dass auf lange Zeit das „Arbeitstier“ 8.000 TEU-Schiffe sein werden. Diese Einschätzung ist gerade einmal knapp 10 Jahre alt, und wir müssen heute feststellen, dass diese Arbeitstiere eher 18.000 TEU-Schiffe sein werden, wobei die weitere Schiffsgrößenentwicklung offen ist. Neben dem wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen geht es hier auch um viele Arbeitsplätze in der Seehafenverkehrswirtschaft, die auf dem Spiel stehen. Weitere Alleingänge der deutschen Seehäfen in Verbindung mit Flussvertiefungen werden meines Erachtens keine langfristige Perspektive bieten, sondern in die Sackgasse führen.

Verfolgt man Ihre Untersuchungen und die aktuellen Zahlen zur Ladungsentwicklung in den Häfen, entsteht der Eindruck, dass die Westhäfen im Wettbewerb um Ladung einige Vorteile haben. Was machen Rotterdam & Co. besser?
Zum einen können die Westhäfen natürlich permanent auf ihr geographisches Geschenk der „Rheinschiene“ zurückgreifen, das ihnen im Modal Split regelmäßig einen unschlagbaren Anteil von rund einem Drittel kostengünstiger Binnenschiffsverkehre beschert. Zum anderen sehe ich konsequente Ausbaubemühungen der Hafenanbindungen durch das zweite Massenleistungsverkehrsmittel, nämlich durch deren Bahnverkehre. Auf Basis unserer jüngsten Analysen an der Hochschule war ich einigermaßen erstaunt über die Vielzahl von Bahnverbindungen zwischen den Westhäfen und Osteuropa. Insbesondere finde ich es erstaunlich, dass offensichtlich zwischen Rotterdam und Polen in etwa genauso viele Fahrten angeboten werden wie zwischen dem Hamburger Hafen und Polen, obwohl die Schienenentfernungen rund zwei Drittel länger sind. Auch in anderen osteuropäischen Ländern ergibt sich ein ähnliches Bild. Mögliche Gründe dazu habe ich meinem Aufsatz dargelegt. Wie zuvor bereits gesagt sehe ich hier Potenziale durch eine Kooperation der deutschen Seehäfen dieses Aufkommen im Wettbewerb zu den Westhäfen effizienter zu bedienen, um der Ladung mehr Kostenargumente für das Finden ihrer Wege über einen deutschen Hafen zu geben.

Während der Hamburger Hafen 2015 ein deutliches Minus beim Containerumschlag verbuchen muss, sind die Umschlagzahlen im JadeWeserPort deutlich gestiegen. Was muss Deutschlands einziger Tiefwasserhafen noch tun, um im Konzert der Nordrange-Häfen hörbar mitzuspielen?
Der natürlich erfreulich deutliche Zuwachs im JadeWeserPort muss vor dem Hintergrund der geringen Umschlagzahlen der vergangenen Jahre beurteilt werden. Wesentlich zu diesem Erfolg hat die regelmäßige Verkehrsanbindung durch Dienste der 2M-Allianz von Maersk und MSC beigetragen. Dem JadeWeserPort bleibt zu seiner weiteren Entwicklung derzeit leider gar nichts anders übrig, als in dem aus meiner Sicht unsäglichen Wettbewerbskonzert der deutschen Seehäfen mitzuspielen. Behauptet wird immer wieder, dass die deutschen Seehäfen im Wettbewerb zu den Westhäfen stehen würden.

Tun sie das denn nicht?
Das ist aus der Sicht der Ladung sicher zum Teil richtig, die sich im konkreten Fall ihren Weg über einen Westhafen oder über einen deutschen Hafen sucht und dementsprechend hier oder dort für mehr oder weniger Umschlag sorgt. Aber angesichts der Bedeutung der Hinterlandtransportkosten mit Blick auf die Verteilung der Ladung im Hinterland ist es wohl kaum realistisch, dass diese Wegsuche der Ladung zukünftig ausschließlich zugunsten der Westhäfen ausgehen wird. Demzufolge stellt sich die Frage der grundsätzlichen Anlaufentscheidung der Reeder für einen Westhafen oder einen deutschen Hafen überhaupt nicht. Im Containerverkehr verlaufen die meisten Rotationen der über 10.000 TEU-Schiffe im Rahmen ihrer Services in der Hamburg-Antwerpen-Range so, dass jeweils ein Westhafen und ein deutscher Hafen angelaufen wird. Nicht wenige dieser Services laufen zusätzlich einen zweiten Westhafen an. Das Ganze erfolgt überwiegend (nicht nur) in der Weise, dass zuerst ein Westhafen angelaufen wird. Hier gilt es durch attraktive Angebote im Rahmen einer deutschen Hafenkooperation gegenzusteuern.

Was ist dabei zu beachten?
Zu der Frage, wie sinnvoll es wäre, nur noch einen dieser Häfen innerhalb der Range anzulaufen, hatte ich mich mit Bezug zum Hamburger Hafen schon geäußert. Das wird so leicht nicht passieren. Demzufolge stehen aus der Sicht der Reeder nicht die deutschen Seehäfen mit den Westhäfen in Konkurrenz, sondern eben ausschließlich die deutschen Seehäfen untereinander. Wenn jetzt drei anstatt zwei Häfen um dieselben Anläufe konkurrieren sollen, dann wird es zu einer weiteren Zerrsplitterung der Kräfte anstatt zu einer Bündelung kommen. Es gilt hier die Stärken zu stärken und die Schwächen zu kompensieren. Ich bin sicher, dass die von mir skizzierte Hafenkooperation das leisten könnte und dass dieser Weg mittelfristig größere Entwicklungspotenziale für jeden einzelnen dieser Häfen bieten würde als Alleingänge.

Ein Oscar für Deutschlands einzigen Tiefwasserhafen: Der JadeWeserPort ist für Professor Ordemann die ideale Ergänzung zu den Seehäfen in Hamburg und Bremerhaven. Nur in Wilhelmshaven können Megacarrier wie die MSC Oscar jederzeit tideunabhängig voll abgeladen festmachen. Foto: © JWP

Ein Oscar für Deutschlands einzigen Tiefwasserhafen: Der JadeWeserPort ist für Professor Ordemann die ideale Ergänzung zu den Seehäfen in Hamburg und Bremerhaven. Nur in Wilhelmshaven können Megacarrier wie die MSC Oscar jederzeit tideunabhängig voll abgeladen festmachen. Foto: © JWP

Das größte Entwicklungspotenzial hat sicherlich der JadeWeserPort.
Der JadeWeserPort wäre die ideale Ergänzung zu den beiden anderen Seehäfen. Sein Entwicklungspotenzial sehe ich im Rahmen einer Hafenkooperation vorerst vor allem in der Rolle eines Feeder- und Shortsea-Hafens. Darüber hinaus sehe ich die Perspektive zur Abwicklung von Hinterlandverkehren, vor allem per Bahn, die dann notwendig werden, wenn eines Tages die Schiffe so stark abgeladen werden, dass sie ansonsten Hamburg oder Bremerhaven nicht mehr erreichen würden. Mit zunehmenden Anläufen der Deepsea-Schiffe würde der JadeWeserPort auch für Regionen der Niederlande interessant werden. Ich denke, dass die Verantwortlichen des JadeWeserPort weiterhin die Option einer Hafenkooperation offen halten sollten. Bis dahin muss der Hafen mit seinen Vorteilen bestmöglich und eben in Konkurrenz zu den anderen beiden Häfen werben.

In der weltweiten Seeschifffahrt deutet sich mittelfristig eine Überkapazität von Tonnage an. Was glauben Sie, wie die Reedereien darauf reagieren?
Diese Überkapazität ist ja schon da. Sie werden der wesentliche Grund für die erneuten stärkeren Kooperationsbemühungen der Reeder, auch zwischen den größten Reedereien gewesen sein, natürlich in Verbindung mit ihren ganz großen Containerschiffen. Insofern machen die Kunden der Seehäfen vor, was ich für sie selbst für geboten halte.

Wie könnte eine Seehafenkooperation im Bereich des Containerverkehrs konkret aussehen?
Aus meiner Sicht sollte dazu eine „Kooperations-GmbH“ gegründet werden, an der im Wesentlichen die Hafengesellschaften HHLA und Eurogate und eine bestehende niedersächsische Gesellschaft des JadeWeserPorts beteiligt sind. Bei dieser hafenstandortübergreifenden Kooperation ist zu überlegen, gegebenenfalls öffentliche Einrichtungen der betroffenen Bundesländer wie zum Beispiel bremenports, HPA sowie eine niedersächsische Gesellschaft zu beteiligen. Im Einzelnen muss natürlich in Gesprächen der Beteiligten und weiterer Analysen festgelegt werden, welche Funktionen und Befugnisse eine solche Gesellschaft haben muss, um planerisch und operativ tätig werden zu können. Wichtig ist, dass die hier vorgeschlagene Kooperation nicht mit einer Fusion der Hafengesellschaften zu verwechseln ist. Die Hafengesellschaften bleiben weiterhin rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen, die weiterhin den überwiegenden Anteil ihres Portfolios in Konkurrenz zueinander bestreiten sollen. In der Verkehrswirtschaft gibt es genügend Beispiele derartigen Kooperationen.

Was könnte denn durch eine Zusammenarbeit der Hafengesellschaften erreicht werden?
Ich sehe in dieser „GmbH“ (die natürlich auch in einer anderen Rechtsform geführt werden könnte) zum Beispiel Funktionen des Marketings/Vertriebs, der hafenseitigen Planung und Disposition mit dem Ziel, möglichst geringe Hafenliegezeiten der Schiffe in Bezug auf die angestrebten Doppelanläufe zu realisieren, der Planung und Disposition von Hinterlandverkehren per Bahn und eventuell dort eine Abteilung „Verkehrsinfrastruktur“, die sich um Bedarfe der drei Häfen in diesem Bereich kümmert. Letzteres mit dem Ziel, gegenüber dem Bund abgestimmter und mit größerem Gewicht insbesondere erforderliche landseitige Infrastrukturvorvorhaben voranzutreiben. Dieser Organisationsaufbau kann hier natürlich nur vorläufig formuliert werden.

Wäre eine Kooperation der deutschen Containerseehäfen als „German Ports“ auch für die großen Linienreedereien attraktiv? In Zeiten globalisierter Warenströme werden doch in zunehmendem Maße Regionen und nicht mehr einzelne Hafenplätze wahrgenommen.
Ziel muss es sein, den Reedereikunden langfristig überhaupt die Option anbieten zu können, die deutschen Seehäfen weiterhin für einen Erstanlauf in der Hamburg-Antwerpen-Range in Betracht zu ziehen. Im Idealfall wird das Kooperationsangebot so attraktiv sein, dass damit auch die Forderung nach einem Erstanlauf verknüpft werden könnte, zumindest sollte es in diese Richtung starke Argumente liefern. Wichtig dabei ist auch die Einbeziehung der Hinterlandverkehre per Bahn in diese Kooperation, weil eine Attraktivitätssteigerung in diesem Bereich der Ladung Argumente liefert, ihren Weg zukünftig häufiger über die deutschen Häfen zu finden. Wie unsere Analysen gezeigt haben, ist es realistisch, dass letztendlich das Gesamtziel im Sinne von „Mehr Container für Deutschland“ durch eine Hafenkooperation erreicht werden kann, wodurch alle drei Häfen hinsichtlich ihrer weiteren wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen profitieren werden.

 

Artikelfoto: © Ann-Kathrin Marx

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