Wenn Fanny Löwenstrom mit oranger Signalhose, rotem Helm und blauer Schwimmweste hoch oben auf dem Dalben im trüben Elbwasser des Hamburger Blumensandhafens steht, hat sie meist dicke Pötte an der Leine. Hier legen die Tanker an, wie die Nordic Aqua. Die 24-Jährige ist Festmacherin bei den Hamburg Lines Men. Sie sorgen in Deutschlands größtem Hafen dafür, dass rund 8.700 Seeschiffe pro Jahr sicher fest- und wieder losgemacht werden – an jedem Tag im Jahr, rund um die Uhr und bei jedem Wind und Wetter.
Sie liebe diesen Job, den Hafen, „das Wasser, die Menschen und die Fischbrötchen“, sagt die Stuttgarterin, die erst seit März Lines Woman ist. Ihre Freunde würden ihr seither häufig sagen, wie glücklich sie wirke. „Der Hafen hat daran einen großen Anteil.“ Die Nordic Aqua ist 142 Meter lang und fährt unter der Flagge Panamas. Sie wird von einem Schlepper zu ihrem Liegeplatz gebracht. Ab hier übernehmen die Lines Men – je ein Team an Bug und Heck – koordiniert über Funk vom Lotsen an Bord. Fanny wartet darauf, dass ihre Kollegen im Festmacherboot Boxer die Vorleine, die vom Bug des Tankers ins Wasser herabgelassen wird, aufnehmen und zu ihr herüberbringen. Sie hievt das schwere, armdicke Tau an einer Wurfleine rund vier Meter in die Höhe, um dessen Auge dann oben über den Poller zu legen. Die Schiffsmannschaft zieht die Leine dann fest oder tight, wie die Fachfrau sagt.
Anschließend steigt sie die Stufen der Eisenleiter hinunter und springt vom Dalben aufs schwankende Deck der Boxer zurück. Das koste zwar schon etwas Kraft, sei für „normal sportlich Trainierte“ aber kein Problem – „auch für Frauen nicht“, lacht die 24-Jährige, die ihre maritime Leidenschaft bei der Bundeswehr entdeckt hat. „Ich bin 20 Monate bei der Marine gewesen und zur See gefahren, deshalb kannte ich mich schon mit Leinen aus.“ Ein Freund gab ihr den Tipp, bei den Lines Men anzuheuern. Bis zum Beginn ihres Studiums der Sozialen Arbeit im Oktober arbeitet sie in Vollzeit. „Danach mache ich in Teilzeit weiter.“ Schließlich gebe es Arbeit rund um die Uhr.
Zwei Frauen stehen ihren Mann
Außer ihr gibt es bei den Lines Men nur noch eine weitere Frau. „Die heißt auch Fanny. Kein Quatsch“, sagt Löwenstrom. Dass sei ganz praktisch, schließlich bräuchten sich ihre mehr als 100 männlichen Kollegen dann nicht so viele weibliche Vornamen merken, scherzt sie. Aber im Ernst: „Ich finde es gut und wichtig, dass man zeigt, dass Mädels Männerberufe machen können.“
Dass es bei den Festmachern mal so kommt, sei für ihn zwar nicht unvorstellbar gewesen, sagt Armin Meyer, der die 300 PS starke und sehr wendige Boxer mit sicherer Hand und sichtlichem Vergnügen um Tanker, Dalben und Kaianlagen herum manövriert. „Es hat nur lange niemand daran gedacht. Es gab ja nicht einmal Toiletten für Frauen.“ Die Festmacherei sei eine Männerdomäne gewesen. Die beiden Fannys zeigten, dass es anders geht.
Der 50-Jährige ist Festmacher in dritter Generation und seit 28 Jahren im Job. Der Job sei auch deshalb interessant, weil er viel Abwechslung biete „und man immer ein bisschen improvisieren muss“, erzählt Meyer. „Am Eurokai haben wir mal ein Schiff erst nicht losgekriegt, weil die Leinen zusammengefroren waren. Da sind wir dann mit Vorschlaghammer und Brecheisen ran.“ Egal wie: „Bislang haben wir noch jedes Schiff losbekommen.“
„Das ist immer noch Handarbeit“
Zwar hat sich am Festmachen der Schiffe selbst über die Jahre nicht viel verändert: Nach wie vor werden sie an Bug und Heck mit Vor- und Achterleinen sowie längsseits mit Vor- und Achtersprings vertäut. „Das ist immer noch Handarbeit“, sagt Meyer. Eine körperliche Erleichterung sei aber die Einführung der sogenannten Winschenwagen gewesen: Mussten die zentnerschweren Taue der Schiffe früher noch mit Muskelkraft auf die Kaianlagen gehievt werden, erledigen das jetzt kleine Lastwagen mittels Motorwinde.
Das geht zwar inzwischen in den meisten Fällen, aber immer nur dort, wo die Kaianlagen befahren werden können. Ansonsten kommen die Festmacherboote zum Einsatz – und Muskelkraft. „Das ist schon eine körperliche Herausforderung“, sagt Sören Kagel, der mit Löwenstrom und Meyer von der Lines-Men-Zentrale im Schatten der Köhlbrandbrücke zur Nordic Aqua rausgefahren ist. Der 22-Jährige ist seit einem Jahr dabei – als einer von derzeit fünf Auszubildenden. Erst seit 2006 gibt es den Lehrberuf des Hafenschiffers mit Schwerpunkt Festmacherei.
Auch wenn die Winschenwagen die Arbeit leichter machten, zieht Kagel den Einsatz vom Boot aus vor. „Es macht einfach Spaß, mit dem Boot durch den Hafen zu fahren. Und man hat zwischen den Einsätzen auch immer ein bisschen Zeit, in sich zu kehren“, sagt er und blickt aufs Wasser. Alles sei etwas geruhsamer, auch „weil hier nie Stau ist“.
Quelle: dpa
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