Seemannsgarn spinnen: Diese nautische Redensart dürfte jeder schon mal gehört haben. Zusammengesponnene Geschichten über gefährliche Seeungeheuer, zauberhafte Meerjungfrauen, unsichtbare Klabautermänner und andere Fabelwesen waren ein schöner Zeitvertreib, wenn es auf See einmal allzu eintönig und an Bord um die Wette geprahlt wurde. Doch woher kommt die Redewendung „Seemannsgarn spinnen“ und was bedeutete diese nautische Redensart ursprünglich?
Seemannsgarn spinnen: Mühselige Arbeit, abenteuerlicher Zeitvertreib
Gemeint war damit eigentlich, Schiemannsgarn zu wickeln. Das heißt, das Drahttauwerk eines Schiffes vor Korrosion zu schützen, in dem der Draht mit einem dünnen, mit Teer getränktem Garn umwickelt wurde („kleedern“). Solches Schiemannsgarn (mit der Zeit dann meist: Seemannsgarn) zu wickeln, war ebenso mühselig wie öde – eine gute Gelegenheit also, sich die Zeit mit abenteuerlichen Geschichten zu vertreiben: Über Riesenkraken, die mühelos ein ganzes Schiff in die Tiefe reißen, Nixen, die eine Schiffsmannschaft um den Verstand bringen oder Klabautermänner, die nachts an Deck ihr Unwesen treiben.
Kaventsmänner wurden lange Zeit als Seemannsgarn abgetan
Besser nicht ins Reich der Fabel verweisen sollte man allerdings Berichte über Kaventsmänner, von denen Seeleute auch heute noch berichten. Die Rede ist von Monsterwellen, die lange als reines Seemannsgarn abgetan wurden – bis es Mitte der 1990er Jahre gelang, erstmals einen echten Kaventsmann zu fotografieren. Wie diese Monsterwellen entstehen und sich auch bei ruhiger See wie aus dem Nichts dutzende Meter hoch auftürmen können, ist auch heute noch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.
Monsterwellen sind keine Seltenheit auf
den Weltmeeren
Meeresforscher gehen davon aus, das unter anderem Meeresströmungen bei der Entstehung von Kaventsmännern eine Rolle spielen können und solche Monsterwellen keine Seltenheit sind: Jede Woche würden demnach zwei bis drei Kaventsmänner auf den Weltmeeren entstehen – eine große Gefahr für Schiffe, die von einer Monsterwelle überrollt werden und sinken können. Wissenschaftler gehen deshalb der Frage nach, wie man derartig extreme Wellen in Zukunft vorhersagen und ein entsprechendes Frühwarnsystem installieren kann.
Quellen: Walter Schmidt / DVV
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