Die Lkw-Kolonnen auf Deutschlands Autobahnen werden immer länger, während der Marktanteil der Güterbahnen weiter sinkt. Und das, obwohl die jeweils amtierende Bundesregierung seit Jahrzehnten versprochen hätte, mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Das teilt das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene mit. Demnach würde Deutschland als Haupttransitland Europas sein Schienennetz durch fehlende Oberleitungen an Grenzübergängen für internationale Güterzüge quasi abschotten. „Langlaufende Güterzüge werden von Elektro-Lokomotiven gezogen, aber von den zehn Grenzübergängen nach Polen ist nur einer elektrifiziert und von den 14 Schienenstrecken nach Tschechien ebenfalls nur eine“, so Dirk Flege, Geschäftsführer von Allianz pro Schiene in Berlin. Ohne Stromleitungen für die Güterbahnen sei die „Lkw-Flut“ nicht zu stoppen.
Nach einer Erhebung des Verkehrsbündnisses sind von den 57 Grenzübergängen, die Deutschland auf dem Schienenweg mit sämtlichen Nachbarstaaten verbinden, lediglich 25 mit einer Oberleitung ausgestattet. Die Elektrifizierungsquote der grenzüberschreitenden Schienentrassen (44 Prozent) liegt damit deutlich unter der des inländischen Schienennetzes (60 Prozent). „Güterzüge haben volkswirtschaftlich die größten Vorzüge, wenn sie große Mengen über weite Strecken transportieren“, erklärt Flege. Daher überrasche es nicht, dass mehr als 50 Prozent des Schienengüterverkehrs in Deutschland bereits grenzüberschreitend seien. „Durch fehlende Oberleitungen an Grenzübergängen zwingt Deutschland insbesondere Güterzüge aus Osteuropa in Nadelöhre, die eine Verlagerung der Fracht vom Lkw auf die Güterbahnen in großem Stil unmöglich machen“, kritisiert er.
Die Bundesregierung hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung das Ziel gesetzt, bis 2025 den Anteil elektrifizierter Schienenstrecken in Deutschland auf 70 Prozent zu steigern (PDF der Studie herunterladen). Eine Zielsetzung für die Grenzübergänge habe die Große Koalition jedoch bisher nicht genannt – obwohl deren Elektrifizierung nach Angaben der Allianz pro Schiene auch für internationale Personenzüge äußerst wichtig sei.
Bahnausbau nach Wilhelmshaven liegt vor dem Zeitplan
Schneller als geplant hat die Bahn derweil einen Teilabschnitt der im Ausbau befindlichen Bahnstrecke nach Wilhelmshaven fertiggestellt. Die Gleisarbeiten auf der durchgehend zweigleisigen, gut 50 Kilometer langen Strecke von Oldenburg nach Wilhelmshaven sollen bis zum Frühjahr 2020 beendet, die Elektrifizierung dann zwei Jahre später abgeschlossen sein. Züge können dort anschließend mit Tempo 120 statt 100 und einer höheren Achslast (23,5 statt 22,5 Tonnen) fahren. Die Modernisierung der Strecke soll zum weiteren Wachstum des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven beitragen, dessen Hinterlandanbindung schon jetzt für steigende Umschlagzahlen gerüstet ist. Die Baukosten belaufen sich auf 870 Millionen Euro.
Quellen: Allianz pro Schiene, dpa
Grafiken: Allianz pro Schiene