In der Dunkelheit gleitet ein einzelner Waggon einen kleinen Berg hinunter. Es quietscht und kleine Funken fliegen von den Gleisen am Güterbahnhof in Köln-Gremberg, dem größten seiner Art in NRW. Es scheint wie eine Geisterfahrt wie aus einem Film, ist aber geplant und Teil eines automatischen Systems. Das Gelände südöstlich der Stadt ist von der Straße kaum einsehbar. Täglich werden hier auf einer Fläche von über 100 Hektar ca. 2500 Waggons abgefertigt. Insgesamt verlaufen rund 200 Gleise auf einer Streckenlänge von 160 Kilometern.
Die Güterwagen rollen von einer künstlichen Erhebung, dem sogenannten Ablaufberg, in die vorgesehenen Gleise im unteren Teil des Bahnhofs – ein lange erprobtes System: „Dieses System ist so alt, wie die Eisenbahn selbst“, sagt Uwe Becker, Leiter des Güterbahnhofes. Um Kollisionen zu vermeiden, sind Förderanlagen oder Gleisbremsen eingebaut. Nach Maschen in der Nähe von Hamburg ist Gremberg der zweitgrößte Rangierbahnhof der Bundesrepublik. Von hier aus fahren die Züge nach Belgien, Frankreich, Italien, in die Niederlande oder die Schweiz. Über 90 Züge verlassen täglich den Bahnhof, rund 70 kommen an.
20 bis 25 Züge pro Schicht
In einer alten Lok steht Jürgen Damm. Der Geruch von Diesel liegt in der Luft. Kurz vor Schichtende hat der Lokrangierführer auch den letzten Güterwagen erfolgreich „heruntergeschubst“. „Am Tag schaffe ich so 20 bis 25 Züge“, erzählt der 59-Jährige, der diesen Job seit 22 Jahren macht. Dafür schiebt er mit seiner Lok die einzelnen Wagen auf den Gipfel des Ablaufberges. Von dort aus finden sie alleine ihren Weg. So setzt er Zug um Zug zusammen.
Nach moderner Technik sieht es in seiner Lok wirklich nicht aus, eher nach körperlicher Arbeit. Damit Damm den Weg optimal aus seinem Fenster verfolgen kann, ist die Lenkung an der Seite platziert. Dort befindet sich auch ein Fußpedal. Dieses muss er alle halbe Minute betätigen. Tut er es nicht, bleibt die Lok stehen. Mittig in der Zugmaschine sind diverse Schalter und Hebel angebracht. Vor allem in den Abend- und Nachtstunden herrscht für Damm und seine Kollegen Hochbetrieb auf der Anlage.
Ganz auf die Technik verlassen will sich Hans-Günter Schiebahn nicht. Stets hat er ein wachsames Auge auf das Geschehen rund um den Ablaufberg. Schiebahn ist einer der Bergmeister der Anlage. Zwischen dem künstlichen Hügel und dem Tal in einem kleinen Häuschen liegt sein Arbeitsplatz. Dort flimmern mehrere Bildschirme. Auf einem kann der 57-Jährige die Details zum nächsten ankommenden Zug ablesen: 27 Wagen mit einer Gesamtlänge von über 500 Metern und einem Gewicht von 665 Tonnen werden gleich ihren Weg ins Tal finden.
Wagenmeister: Der TÜV der Bahn
Die Mitarbeiter wissen in der Regel nicht, welche Güter oder Produkte sich in den Wagen befinden. „Wir haben hier alles“, sagt Wagenmeister Christian Lutter. „Was der TÜV beim Auto ist, ist der Wagenmeister bei der Bahn.“ Bevor die Wagen ihre Reise fortsetzen, werden sie vom Wagenmeister gründlich geprüft. Je nach Länge kann eine solche „TÜV-Untersuchung“ des Zuges mehrere Stunden dauern. Lutters Kollege, Wagenmeister Andreas Witt, kniet sich auch mit 63 Jahren noch bei jedem Wetter hin und begutachtet die Züge sehr genau, um sie möglichst schnell und sicher startklar machen. Deren Reise führt anschließend vom größten Rangierbahnhof Nordrhein-Westfalens und dem Kölner Dom in die weite Welt.
Quelle: dpa
Foto: Horst Lüdicke